Aue-Geest-Gymnasium Harsefeld
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Das Leid an einem Ort des Geden­kens greif­bar gemacht

Lena Vie­ten

Im Rah­men des Geschichts­un­ter­richts besu­chen im Okto­ber alle Klas­sen der Jahr­gangs­stu­fe 10 des Aue-Geest-Gym­na­si­ums die Kriegs­grä­ber- und Gedenk­stät­te in Sand­bos­tel. Am ver­gan­ge­nen Diens­tag (14.10.2014) fuhr die ers­te Grup­pe Har­se­fel­der Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit Frau StR´ Lena Vie­ten in das etwa 45 Bus­mi­nu­ten von Har­se­feld ent­fern­te ehe­ma­li­ge Krieg­ge­fan­ge­nen­la­ger bei Bre­mer­vör­de, wo ihr im Ver­lau­fe einer ganz­tä­gi­gen Füh­rung über das Gelän­de das durch die Ver­bre­chen der Natio­nal­so­zia­lis­ten her­vor­ge­brach­te Leid auf ein­dring­li­che Wei­se an die­sem ganz beson­de­ren Ort nahe gebracht wurde. 

„War­um ste­hen die Män­ner in Unter­ho­sen und Son­nen­bril­le vor der Bara­cken­tür?“ Eine Schü­le­rin der 10 F2 hält fra­gend eine der aus­ge­druck­ten Foto­gra­fien hoch, die vor ihr auf einem Tisch aus­ge­brei­tet lie­gen. „Um die­se Fra­ge zu beant­wor­ten, soll­ten wir uns die Bara­cken anse­hen“, ant­wor­tet Caro­la Pli­s­ka von der Gedenk­stät­te Sand­bos­tel, die unse­re Schü­le­rin­nen und Schü­ler an die­sem Tage durch das ehe­ma­li­ge Kriegs­ge­fan­ge­nen­la­ger führt.

Der Rund­gang beginnt an dem Ort, wo unter ande­rem tau­sen­de Kriegs­ge­fan­ge­ne des Lagers in Mas­sen­grä­bern beer­digt wur­den. Als Ort der Trau­er für Men­schen ver­schie­dens­ter Natio­na­li­tä­ten las­sen sich hier bei den anrei­sen­den Ver­wand­ten und Nach­kom­men unter­schied­li­che Her­an­ge­hens­wei­sen an die Trau­er beob­ach­ten, erklärt Caro­la Pli­s­ka den Schü­le­rin­nen und Schü­lern. Zum Beweis fin­det sich hin­ter einem auf­ge­stell­ten Kreuz eine klei­ne Wod­ka­fla­sche. „Rus­si­sche Ange­hö­ri­ge, die die­se Grab­stät­te besu­chen, ver­sam­meln sich, um zu trin­ken und sich im Gespräch an den Ver­stor­be­nen zu erin­nern“, so die Betreue­rin des Programms.

In der Nähe des Ein­gangs ist ein run­der Platz mit zahl­rei­chen Beton­ste­len zu sehen. Eini­ge sind noch leer, ande­re ent­hal­ten Ton­zie­gel, auf denen Namen und Lebens­da­ten in Sand­bos­tel gestor­be­ner sowje­ti­scher Kriegs­ge­fan­ge­ner ein­ge­prägt sind. Auch die zehn­ten Klas­sen des AGG sol­len sich im Lau­fe des Tages an dem „Namens­zie­gel-Pro­jekt“ der Gedenk­stät­te betei­li­gen, das von die­ser zusam­men mit der Gemein­de Sand­bos­tel und dem Volks­bund Deut­sche Kriegs­grä­ber­für­sor­ge orga­ni­siert wird. Ziel ist es, einen Ort des Geden­kens für die namen­los Ver­scharr­ten zu schaffen.

Um jedoch nach­voll­zie­hen zu kön­nen, wel­ches Leben die Inter­nier­ten geführt haben und wie unter­schied­lich die ein­zel­nen Gefan­ge­nen­grup­pen behan­delt wur­den, wird die Exkur­si­on zuerst mit dem Besuch des ehe­ma­li­gen Lagers fort­ge­führt. Bei einem Rund­gang durch die Aus­stel­lung und einer Füh­rung über das Gelän­de wird den Schü­le­rin­nen und Schü­lern deut­lich, unter welch unwür­di­gen und men­schen­ver­ach­ten­den Bedin­gun­gen die Gefan­ge­nen gelebt und gear­bei­tet haben.

Beson­ders die sowje­ti­schen Kriegs­ge­fan­ge­nen, deren Behand­lung nicht durch das Gen­fer Abkom­men gere­gelt war, über­leb­ten oft nur weni­ge Mona­te in dem Lager, da man sie durch Schwerst­ar­beit völ­lig ent­kräf­te­te und zudem ver­hun­gern ließ. „Täg­lich ein hal­ber Gulasch­wür­fel pro Per­son“, beschreibt Caro­la Pli­s­ka die Ver­sor­gung im Lager, „und bei den sowje­ti­schen Gefan­ge­nen wur­den die Kno­chen noch mit­ge­wo­gen, sie beka­men prak­tisch gar kein Fleisch.“ Auch die Brot­ra­tio­nen waren sehr gering. „300 g pro Per­son am Tag“, über­setzt Fran­ce­s­ca, unse­re ita­lie­ni­sche Aus­tausch­schü­le­rin, von einer Foto­gra­fie, die eine Tafel mit der Tages­ra­ti­on für ita­lie­ni­sche Gefan­ge­ne zeigt.

Als sich eine der Klas­sen in einem Raum einer Bara­cke ver­sam­melt, wird den Schü­lern bewusst, wie begrenzt der Raum war, auf dem die Gefan­ge­nen leben muss­ten. An die­sem Punkt fin­det sich auch eine Ant­wort auf die ein­gangs gestell­te Fra­ge der Schü­le­rin: In Som­mern mit 40 Grad hiel­ten es vie­le Män­ner nicht mehr in den Bara­cken aus. Es blieb ihnen nichts ande­res übrig, als sich bis auf die Unter­ho­se zu ent­klei­den, um die Hit­ze über­haupt zu ertragen.

Nach­dem sich die­se Ein­drü­cke in der Mit­tags­pau­se legen, recher­chie­ren die Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit Hil­fe kopier­ter Per­so­nal­kar­ten aus dem Lager die Namen und Lebens­da­ten in Sand­bos­tel ver­stor­be­ner sowje­ti­scher Kriegs­ge­fan­ge­ner und prä­gen sie anschlie­ßend in selbst­ge­fer­tig­te Ton­zie­gel, die spä­ter in die Ste­len der Kriegs­grä­ber­stät­te ein­ge­fügt werden.

Nicht nur von der Mög­lich­keit, sich aktiv in der Gedenk­stät­te zu betei­li­gen, zeig­ten sich die Zehnt­kläss­ler in der abschlie­ßen­den Feed­back-Run­de beein­druckt. Es wur­de auch deut­lich, dass die Exkur­si­on die Ver­bre­chen der Natio­nal­so­zia­lis­ten greif­ba­rer gemacht hat und die Klas­sen im Geschichts­un­ter­richt von die­ser Erfah­rung pro­fi­tie­ren werden.

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Fotos: Lena Vie­ten